Augustusburg
Stadtkirche St. Petri

Restaurierung und Neubau, Alexander Schuke Potsdam Orgelbau, 2024-2026

Weithin sichtbar erhebt sich die Stadtkirche von Augustusburg auf dem Schellenberg gegenüber dem Jagdschloss, der dem Ort seinen Namen gibt. Die klassizistische Hallenkirche stammt aus dem Jahr 1845 und ersetzt einen durch Brand zerstörten Vorgängerbau. Ihre Turmhaube sowie der Innenraum und seine Ausstattung wurden nach einem weiteren Brand 1893 im historisierenden Neobarockstil unter Bewahrung der Außenfassaden wieder hergestellt. Die lichtdurchflutete Kirche beeindruckt durch eine freundliche Atmosphäre und eine gute Akustik. Die weiß verputzten Wände und Gewölbe des weitläufigen Innenraumes kontrastieren mit der gediegenen Möblierung in dunklem Holz.

Gleichzeitig mit dem Wiederaufbau der Kirche errichtete die Dresdner Orgelbaufirma Bruno & Emil Jehmlich 1896 die heute noch weitgehend erhaltene Orgel – mit 43 Registern damals die größte in ganz Mittelsachsen. Die Pfeifen stehen auf pneumatisch angesteuerten Kegelladen (ursprünglich mit mechanischem Vorgelege) und verteilen sich auf zwei Manuale und Pedal, wobei jedes Werk zwei übereinander angeordnete Windladen besitzt. Das elegante Gehäuse fügt sich mit seiner hellen Fassung und den goldenen Akzenten der neobarocken Ornamentik stilgetreu in die Umgebung ein. Auffällig ist in der Originaldisposition der Reichtum an sinfonischen Klangstimmen. So sind interessanterweise Streichregister zahlenmäßig stärker als Flötenstimmen vertreten (ganz anders als bei z.B. Sauer und Walcker) und die kräftigen Zungenregister im Hauptwerk zeugen von einer orchestralen Funktionalität. Die Klangkronen der Orgel sind kraftvoll, bauen auf die Grundstimmen aber nahtlos auf.

Die 1917 zu Rüstungszwecken beschlagnahmten Prospektpfeifen konnten erst 1930 aus Zinn ersetzt werden. Im gleichen Zuge wurde durch die Firma Schmeißer aus Rochlitz ein neuer Spieltisch eingebaut und das System vollständig auf Röhrenpneumatik umgestellt. In den Jahren 1956-59 erfolgten Umbauten, bei denen die Disposition und der romantische Klangcharakter nach der seinerzeit vorherrschenden Mode verändert wurden. Während dieser Arbeiten wurde die Oberlade des Pedals ersetzt und eine dritte Pedalwindlade Jehmlichs entfernt.

Einen ersten Schritt auf dem Weg zur Wiederherstellung des ursprünglich hochromantischen Klangbildes und zu einer Verbesserung der inzwischen eingeschränkten technischen Funktion unternahm Orgelbau Georg Wünning (Großolbersdorf) 2012-13 mit einer umfassenden Renovierung des Instrumentes und der Überarbeitung bzw. Erneuerung von 6 Registern.

Unsere Werkstatt hat den Auftrag erhalten, die wertvolle und unter Denkmalschutz stehende Orgel auf den Originalzustand zurückzuführen, wozu es einer großangelegten Restaurierung bedarf. Um die musikalischen Nutzungsmöglichkeiten zu steigern, soll das Instrument darüber hinaus ergänzt und mit zusätzlichen Teilwerken, die an unterschiedlichen Positionen im Kirchenraum installiert sind, zu einer Orgelanlage mit 360°-Klangabstrahlung erweitert werden. Die 2024-26 im Rahmen des Projektes auszuführenden Arbeiten umfassen im Einzelnen:

  • Restaurierung der historischen Jehmlich-Orgel und Wiederherstellung der Disposition von 1896 mit Rekonstruktion und Rückführung von 11 Registern.
  • Erweiterung der Disposition, dabei Ergänzung einer dritten Pedalwindlade, eines Auxiliarwerkes mit zwei Registern und zwei Schlagidiophonen (Marimbaphon und Celesta) sowie vier durchschlagende Harmonika-Stimmen.
  • Erweiterung des Tonumfanges in den Manualen bis c4 und im Pedal bis f1 auf elektrisch angesteuerten Zusatzladen.
  • Ergänzung einer elektrischen Traktur unter Beibehaltung der Pneumatik (Doppeltraktur) und des pneumatischen Spieltisches von 1930 ohne Verluste der Originalsubstanz.
  • Neubau von zwei kleinen Filialwerken mit zwei Registerreihen und einem Röhrenglockenspiel. Die Klangkörper hängen optisch leicht und homogen zwischen den Fenstern in den vorderen Seitenschiffen.
  • Neubau eines reichhaltig besetzten, schwellbaren Teilwerkes auf zwei Etagen in der Apsis hinter dem Altar mit 14 Registern, das dem Klangideal der Hauptorgel entspricht und diese aus der entgegengesetzten Richtung ergänzt.
  • Lieferung eines elektrischen Zentralspieltisches auf der Empore, von dem aus alle Teilwerke gespielt werden können. Die elektrische Einzeltonsteuerung der Zubauten ermöglicht die Verwendung der Register in Extensionen und Transmissionen sowie die individuelle Registrierbarkeit auf unterschiedlichen Manualen.

In den Registerergänzungen kommt neben neu hergestellten Pfeifen auch historisches Pfeifenwerk (Schmeißer, 1905) zum Einsatz. Intonatorisch werden alte und neue Register auf Basis der romantischen Jehmlich-Orgel zu einer klanglichen Einheit mit orchestral-sinfonischen Eigenschaften vereinigt. Durch die räumliche Aufteilung der Teilwerke bieten sich ungeahnte Möglichkeiten der Klanggestaltung. Für weitere außergewöhnliche Effekte sorgen acht unterschiedliche, im Raum verteilte Vogelstimmen. Zudem erinnern die großen Pfeifen des Vulcanbass 32‘ an das tiefe Grummeln des erloschenen Vulkans unter dem Schellenberg. Mit Einbeziehung der 64′-Lage wird zudem auch an gehörlose Menschen gedacht, die bei diesen Frequenzen an Musik teilhaben können. 

Die zu neuem Leben erweckte Stadtkirchenorgel wird das liturgische, konzertante und pädagogische Musikgeschehen nicht nur mit ihrer wieder hergestellten romantischen Klangpracht bereichern. In Kombination mit den neu hinzugefügten Erweiterungen dürfen Musiker und Zuhörer einzigartige Erlebnisse des Raumklanges erwarten, die eine überregionale Strahlkraft in der reichhaltigen Orgellandschaft Sachsens ausüben.

Die Gemeinde informiert über das Projekt auf einer eigenen Internetseite: https://www.orgel360.de/.

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Register
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Manuale
0
Orgelpfeifen
Projektfortschritt
Werkstattfertigung 35%
Disposition
I. Hauptwerk (C - c4)
  1. Principal 16′
  2. Gedeckt 16′
  3. Principal 8′
  4. Doppelflöte 8′ T35
  5. Gamba 8′ R
  6. Gemshorn 8′
  7. Rohrflöte 8′
  8. Wiender Flöte 8′
  9. Octave 4′
  10. Fugara 4′
  11. Traversflöte 4′ T36
  12. Quinte 2 2/3′
  13. Octave 2′
  14. Cornett 2 2/3′ III-V
  15. Mixtur 2′ IV
  16. Trompete 8′
  17. Clarinette 8′
  18. Clarine 4′
II. Schwellwerk (C - c4)
  1. Bordun 16′
  2. Geigenprincipal 8′ R
  3. Flöte harmonica 8′ R
  4. Gedeckt 8′
  5. Quintatön 8′
  6. Salicional 8′
  7. Aeoline 8′ R
  8. Vox coelestis 8′ R
  9. Octave 4′
  10. Violine 4′
  11. Rohrflöte 4′
  12. Naßat 2 2/3′ R
  13. Piccolo 2′
  14. Sesquialter 2 2/3′ II
  15. Mixtur 1 1/3′ III
  16. Oboe 8′
III. Auxiliarwerk (C - c4)
  1. Doppelflöte 8′ N
  2. Traversflöte 4′ N
  3. Celesta 8′ N
  4. Celesta 4′ T37
  5. Marimbaphon 16′ T40
  6. Marimbaphon 8′ N
  7. Marimbaphon 4′ T40
  8. Marimbaphon 2 2/3′ T40
Sommer-Harmonica (E - c4)
  1. Harmonica 16′ N
  2. Harmonica 8′ N
  3. Schwebung 8′ N
  4. Harmonica 4′ N
Altarorgel (C - c4)
  1. Bordun 16′ N
  2. Hornprincipal 8′ N
  3. Paradiesflöte 8′ N
  4. Viola 8′ N
  5. Viole d’Orchestre 8′ II N
  6. Dulciana 8′ N
  7. Lieblich Gedackt 8′ N
  8. Vox angelica 8′ N
  9. Salicet 4′ N
  10. Concertflöte 4′ N
  11. Waldflöte 2′ N
  12. Harm. aethera III N
  13. Fagott 16′ N
  14. Fagott 8′ T59
  15. Englischhorn 8′ N
Filialwerke (C - c4)
  1. Flötenprincipal 8′ N
  2. Panflöte 8′ N
  3. Octave 4′ E62
  4. Panflöte 4′ E63
  5. Glocken N
Pedal (C - f1)
  1. Vulcanbass 32′ N
  2. Principalbass 16′
  3. Violonbass 16′ R
  4.  Subbass 16′
  5. Aeolinenbass 16′ R
  6. Emporenbass 16′ E67
  7. Quintbass 10 2/3′
  8. Octavbass 8′
  9. Flötenbass 8′
  10. Violoncello 8′
  11. Octavbass 4′
  12. Contraposaune 32′ N
  13. Posaunenbass 16′
  14. Trompetenbass 8′
Pedal Altarorgel & Filialw. (C - f1)
  1. Vox mystica 32′ T47
  2. Subbass 16′ T47
  3. Principalbass 8′ T48
  4.  Bassflöte 8′ T49
  5. Cello 8′ T50
  6. Cello d’Orchestre 8′ T51
  7. Duciana 8′ T52
  8. Gedecktbass 8′ T53
  9. Salicet 4′T55
  10. Concertflöte 4′ T56
  11. Harm. aethera III T58
  12. Fagott 16′ T59
  13. Fagott 8′ T59
  14. Englischhorn 8′ T61
  15. Englischhorn 4′ T61
Pedal Filialwerk (C - f1)
  1. Flötenprincipal 8′ T62
  2. Octave 4′ T64
  3. Panflöte 4′ T65
  4. Glocken T66

Koppeln

Hauptorgel: II-I, III-I, II 16‘, II 4‘, II-I 4‘, II-I 16‘, I-P, II-P, III-P
Altarorgel: I 16‘, I 4‘, II 16‘, II 4‘, III 16‘, III 4‘, P 4‘
Harmonica: H-III, H-II, H-I, H-P

Weitere Spielhilfen
Crescendo-Walze, 3 Schwelltritte: SW Hauptorgel, Altarorgel, Harmonica; Celesta Forte, Marimbaphon Forte, Marimbaphon Repetition, Zungen ab
Melodie-Tremulant für Filialwerk, Tremolo Altarorgel, 3 Potentiometer: 2 x Tremolo, 1 x Glocken; 8 Vogelrufe: Uhu, Kuckuck, Grünspecht,
Rotschenkel, Sperling A, Sperling B, Nachtigall, Lachmöve, Alle Vögel 360°

N = Neues Register (teilweise Verwendung von bestehendem Pfeifenwerk)
R = Rekonstruktion
T = Transmission
E = Extension

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